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Gesichter der Südstadt – Wie Früchte die Welt verändern können
Mit Michael Schell von Fruchthaus Schell
Die Geschichte von Fruchthaus Schell beginnt kurioserweise mit Schuhen. Dieses Handwerk brachte den Großvater von Michael Schell nach Nürnberg. Doch die Depression der 30er Jahre wie auch die Kriegsjahre als Soldat verzögerten den beruflichen Erfolg. Erst Ende der 40er Jahre konnte der junge Familienvater im eigenen Laden in der Landgrabenstr. 40. durchstarten. Für Michael Schell ist im Gespräch mit Moderator Michael Wittmann dieser familiäre Startschuss wichtig.
Sein Vater Bernhard, auch heute noch an zwei Tagen der Woche im Geschäft aktiv wollte sich jedoch beruflich anders orientieren. Mit einem kleinen Lebensmittelladen, gleichfalls in der Landgrabenstraße gelegen, spezialisierte er sich in den 60er Jahren zunehmend auf Obst und Gemüse und baute das Filialgeschäft mit der Übernahme eines Betriebes eines Mitbewerbers in der Schwabacher Straße weiter aus.

Zur Initialzündung für ein neues Ladenkonzept wurde für Vater Bernhard zu Anfang der 80er Jahre die eher zufällige Begegnung mit einem Münchner Kollegen, der seinen Verkauf auf reine Selbstbedienung umschaltet hatte – eine damals im Fruchthandel noch vollkommen unübliche Praxis.
Michael Schell ist mit dem Geschäft seiner Eltern groß geworden. Selbst während seines BWL-Studiums gehörten Fahrten zum Großmarkt zur Tagesordnung, wie er im Gespräch erinnert. „Man liebt diesen Job, oder man lässt es sein“, berichtet er über seinen Tagesablauf. Jeden Morgen klingelt der Wecker pünktlich um 3:20 Uhr und ruft zur Fahrt in die Großmärkte von Nürnberg und München, um die frische Ware zu beschaffen. Regionale Produkte können alle am Nürnberger Großmarkt gekauft werden. Das Knoblauchsland ist ein unterschätze Produktionszone, erläutert er am Beispiel ALDI, der alle Filialen bundesweit mit Tomaten eines Bauern aus dem Knoblauchsland beliefert.

Dass sich die wunderbare Welt von Obst und Gemüse deutlich komplexer darstellt, als der Verbraucher meint, erläutert Schell am Beispiel von Mandarinen und Kirschen, die saisonal abgegrenzt von unterschiedlichen Anbietern eingekauft werden müssen und in ihrer Beschaffenheit und Qualität ständig variieren. „Es gibt keinen Obsthändler, der wirklich alle Obstsorten kennen kann“ unterstreicht der vierfache Familienvater diese unglaubliche Vielfalt. Aber frisch vom Baum - und ab ins Verkaufsregal – an diese Mär glauben nur die, die nichts von den riesigen Lagerhallen wissen, in denen das Obst bei Sauerstoffentzug und Stickstoffzufuhr monatelang bis zum eigentlichen Verkauf haltbar eingelagert wird.
Michael Schells Arbeitswoche hat 90 Stunden, wie er einräumt. Ein Pensum, das ihn 2005 körperlich ins Straucheln brachte und die Entscheidung einforderte, das Verkaufsgeschäft in der Landgrabenstraße zu schließen. Das ausgerechnet die Konzentration auf den Standort Wölckernstraße durch die Kündigung des Vermieters zehn Jahre später die wirtschaftliche Existenz in Frage stellen sollte, war nicht absehbar. Ein Umzug in eine freigewordene Gewerbefläche neben dem Musikhaus Klier sicherte 2015 die Weiterexistenz in der Südstadt.
Was hat sich im Einkaufsverhalten verändert, möchte Moderator Michael Wittmann wissen: Die Angebotsvielfalt ist deutlich größer geworden, aber auch die Fokussierung der Kunden auf den Preis. Ist die Verderblichkeit der Ware ein Problem? Der Erfahrungsschatz vieler beruflicher Jahre und kluge Preissignale beim Abverkauf sorgen dafür, dass wenig Obst als unverkäuflich zurückbleibt.

Und die Familie? Der vierfache Familienvater räumt ein, dass seine Frau seine Kinder quasi als Alleinerziehende großziehen musste. Sein Arbeitspensum erlaubt nur an den Sonntagen ein gemeinsames Miteinander. Und auch in Punkto Urlaub gönnt sich Michael Schell nur drei Wochen im Jahr.
Doch wer an diesem Abend glauben sollte, dieses Arbeitspensum in seinem 35 Mitarbeiter zählenden Betrieb würde Michael Schell nicht schon komplett ausfüllen, erlebt seine Überraschung: Seit Jahrzehnten ist Michael Schell an verantwortlicher Stelle im Aktionskreis Pater Leppich / Gute Nachricht e.V. tätig, einer apostolischen Laienbewegung innerhalb der katholischen Kirche. Der gläubige Christ Michael Schell scheint mit seinem Team durch den Bibelverkauf an Wochenenden tatsächlich Berge versetzen zu können: Ukraine, Ungarn, Rumänien, Südsudan, Ruanda oder Togo. Überall in der Welt gibt es Projekte, in denen sein Aktionsteam die erzielten Einnahmen und Spenden unbürokratisch für direkte Hilfe und sinnstiftende Unterstützung einsetzt. Michael Schell hätte sicherlich auch über diesen Teil seines caritativ-sozialen Engagements einen ganzen Abend berichten können.
Ümit Sormaz dankte am Ende dieser Veranstaltung allen Interessierten für Ihr Kommen, insbesondere Herrn Michael Schell, der nicht nur einen Einblick in die Welt der Früchte gab, sondern auch deutlich machte, was einzelne Menschen mit ihrem persönlichem Einsatz leisten können, um die Welt ein kleines bisschen besser zu machen.
Info:
Fruchthaus Schell Wölckernstraße 29, 90459 Nürnberg + Schwabacher Str. 72-76, 90439 Nürnberg
Das Team „Gute Nachricht e.V.“ unter der Vorstandschaft von Michael Schell trifft sich jeden zweiten Mittwoch im Gemeindehaus St. Ludwig, Pfälzer Str. 3 90443 Nürnberg ab 19 Uhr
Gäste sind herzlich willkommen
Text: Peter Löw
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